Verkehrswende

Verkehrsplanung und Verkehrswende

In einem dünn besiedelten Flächenlandkreis mit kaum finanziellen Spielräumen für den ÖPNV wie Lüchow-Dannenberg spielt der Individualverkehr eine große Rolle.

Vor über 10 Jahren war ich Leiterin des Fachdienstes Straßenverkehr. Eine der großen überörtlichen Verkehrswege ist die Bundesstraße B 248 von Lübbow Richtung Lüneburg. Mit zunehmendem LKW-Verkehr hatte sich die Reisegeschwindigkeit auf dieser Strecke verlängert und es wurde in den politischen Gremien beschlossen, eine Verkehrsuntersuchung zur Beschleunigung der Reisezeit in Auftrag zu geben.

Das Auto hatte zu dieser Zeit bei den Verkehrsplanungen den absoluten Vorrang. Ergebnis dieser Untersuchung waren Planungsunterlagen für etliche Ortsumgehungen und Überholstreifen für Millionenbeträge. Die Zeitersparnis bei der Reisegeschwindigkeit auf der Strecke von Lüneburg bis Lübbow bei Umsetzung aller dieser Maßnahmen betrug 90 Sekunden. Tatsächlich wurde auch die erste Ortsumgehung bei Dahlenburg gebaut. Nach kurzer Zeit mussten allerdings Überholstreifen zusätzlich angebaut werden, da die Straße mit einem zu engen Radius geplant worden war und sichere Überholmanöver unmöglich waren. Daher führte diese Umgehung zunächst wieder zu Zeitverzögerungen.

Parallel zu diesem Prozess hatte ich eine landkreisübergreifende Arbeitsgruppe mit den Landkreisen Lüneburg, dem Altmarkkreis Salzwedel und dem Landkreis Börde (Magdeburg) ins Leben gerufen. Hintergrund war die Regelung des Zu- und Abtransportes der Waren vom Hamburger Hafen in Richtung Osten. Die Idee war, Transportwege zu definieren, auf welchen die Waren zügig abtransportiert werden können und daneben „Lebenswege“ auszuweisen, die von diesen Transporten befreit sind und den Menschen ein erträgliches Leben in ihren Wohnorten ermöglichen. Nicht nur in Gartow werden die Folgen der überregionalen Warenbewegungen zunehmend spürbar.

In diesem Zusammenhang wurde auch deutlich, dass die größten Kosten für die Speditionen die Fahrerstunden sind und somit jeweils die kürzesten und schnellsten Routen gefahren werden. Es wäre daher naiv, zu glauben, dass eine neue Elbbrücke bei Neu Darchau nicht mehr Verkehr (auch LKW-Verkehr) in den Landkreis führen würde. Weiterhin waren und sind die höheren Tonnagen der LKWs ein Problem. Die Gewichtsbelastungen führen zu Tiefenschädigungen in den Straßen und der Landkreis kann schon heute eine substanzerhaltende Unterhaltung seiner Straßen nicht mehr gewährleisten. Wir leben von der Substanz.

Auch aus diesem Grunde ist es nicht mehr zeitgemäß, in neue Straßen zu investieren. Der Individualverkehr mit dem Auto wird in unserer Region nicht kurzfristig komplett durch andere Lösungen ersetzt werden können, aber die weiteren Verkehrsplanungen müssen die Verkehrswende berücksichtigen und dem Ausbau eines sicheren Radwegenetzes den Vorrang geben. Auch die Kombination von ÖPNV und Fahrradverkehr muss verstärkt in den Blick genommen werden.

Im Zuge des Klimaschutzes und der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist auch die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken ein Erfolgskonzept für einen besseren Verkehrsmix in der Zukunft. Mit der Reaktivierung und der Verbesserung der Schieneninfrastruktur können mehr Fahrgäste und mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. Für Lüchow-Dannenberg bedeutet das eine schrittweise Aktivierung der Jeetze(l)talbahn. Lüchow ist eines der wenigen Mittelzentren in Niedersachsen ohne täglichen Bahnverkehr.
Für die Wendlandbahn von Dannenberg nach Lüneburg müssen weiterhin eine Fahrzeitverkürzung und ein 2-Stunden-Takt als Mindestangebot angestrebt werden.

Das Ziel beim ÖPNV sind attraktive Taktzeiten, günstige Tarife und Biogasbusse, wie sie in einem erfolgreichen Augsburger Konzept anlässlich einer Bereisung 2020 vorgeführt wurden.
Die Bargeldeinnahmen durch die Fahrgäste sind im Landkreis sehr gering. Die Mehrkosten eines 1€-Tickets für alle ÖPNV-Busfahrten im Landkreis würden bei ca. 200.000 € jährlich liegen bei Gesamtkosten von ca. 7 Mio €. Bei einer Erhöhung der Fahrgastzahlen durch eine solche Maßnahme würden sich die Mehrkosten entsprechend verringern. Eine finanzielle Unterstützung für Bürgerbus-Vereine in abgelegenen Bereichen wäre ein weiterer Baustein der örtlichen Verkehrswende.

Dagmar Schulz

10.06.2021

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