Landwirtschaft im Wandel

Agrarwende

Meine Kindheit und Jugendzeit habe ich auf einer kleinen Nebenerwerbslandwirtschaft verbracht. Kühe melken, Rüben hacken sowie Heu und Stroh in der Scheune abladen habe ich gelernt, später auch Treckerfahren. Auf dem Weg mit dem Fahrrad zur Schule gab es Wiesen mit Kühen, Butterblumen und im Herbst Champignons. In meiner Erinnerung war die Arbeit oft schwer, aber es gab einen direkten Bezug zu den Tieren und zum Land.

Diese Nebenerwerbslandwirtschaft musste aufgegeben werden, weil sie sich nicht mehr getragen hat. Es hätte mehr Flächen, mehr Tiere und modernere Maschinen gebraucht, um mithalten zu können.

Diese Entwicklung in der konventionellen Landwirtschaft hat sich zum großen Teil bis heute fortgesetzt. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat seit dem großen Höfesterben in den 70iger Jahren weiter abgenommen. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Betriebsfläche angestiegen. Insbesondere die Zahl kleiner Betriebe mit einer Fläche von unter 5 ha hat deutlich abgenommen.
Es musste immer mehr produziert, den Böden immer mehr Dünger zugeführt werden, um höhere Erträge zu erzielen und durch größere Flächen mit gleicher Nutzung gab es mehr Schädlinge, die zu bekämpfen waren. Heute sehen wir, dass diese Art der konventionellen Landwirtschaft an ihren Grenzen angekommen ist. Viele Böden sind ausgelaugt, die Vielfalt der Insekten nimmt bedrohlich ab, Ressourcen wie Wasser werden immer knapper.

Etliche konventionelle Betriebe haben sich seit Jahren auf den Weg gemacht, nach anderen Maßstäben zu wirtschaften. So sind z.B. die Neuland-Betriebe entstanden mit einer artgerechten Tierhaltung und direkten Vermarktungswegen.

Früh gab es in Landkreis Lüchow-Dannenberg auch eine Bewegung in der Landwirtschaft mit dem Ansinnen einer ökologischen Landnutzung auf Biohöfen. Im Bereich der Landwirtschaft gibt es in Niedersachsen keinen Landkreis, in dem prozentual mehr Flächen ökologisch bewirtschaftet werden als in Lüchow-Dannenberg. Und die Flächen für den ökologischen Landbau nehmen hier immer weiter zu, stärker als fast überall sonst im Land. Weiterhin steigt auch die Zahl der Organisationen solidarischer Landwirtschaft mit Direktvermarktung.

Für einen länderübergreifenden Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume wurde 1992 von der EU beschlossen, ein Schutzgebietsnetz aufzubauen (Natura 2000). In Lüchow-Dannenberg fallen viele Flächen unter diese Richtlinie. Das bedeutet scharfe Begrenzungen und Vorschriften für Landwirte, die auf solchen Flächen wirtschaften. Mit Einrichtung dieser Gebiete war den Landwirten vermittelt worden, dass es keine großen Einschränkungen für sie gäbe. Jetzt sehen die betroffenen Landwirte existenzielle Herausforderungen bei der Umsetzung neuer harter Auflagen.

An dieser Stelle müssen Gremien geschaffen werden, welche die verschiedenen Interessenbereiche an einen Tisch bringen und gemeinsam Konzepte entwickeln, die den Artenschutz honorieren und den Betrieben eine wirtschaftliche Existenz ermöglichen.

Im Landkreis Lüchow-Dannenberg werden über 50 % der Kreisfläche landwirtschaftlich genutzt. Weitere fast 40 % der Kreisfläche sind durch Wälder bedeckt. Dieser mit fast 90 % sehr hohe Anteil an land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen verdeutlicht die Relevanz der Land- und Forstwirtschaft als Wirtschaftsfaktor im Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Ein weiterer Baustein bei der Unterstützung der Landwirtschaft ist der Abbau von bürokratischen Hemmnissen. Dazu gehört eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren bei klimafreundlichen und energieeffizienten Stallneubauten. Auch ein Abbau von bürokratischen Hürden im Bereich der Direktvermarktung sowie eine Vereinfachung der Zusammenarbeit durch Harmonisierung von Vorgaben über Kreis- und Landesgrenzen hinweg sind wichtig. Einige Bestimmungen sind noch nicht an die Neuerungen der Agrarreform angepasst.

Im Masterplan 100 % Klimaschutz des Landkreises Lüchow-Dannenberg gibt es weitere Ansätze: „Alternative Produktionssysteme: Über den derzeitigen technischen Stand hinaus sollte die Entwicklung und Erprobung von alternativen Produktionssystemen mit Klimaschutzeffekten gefördert werden, wie bspw. die Nutzung von Biokohle zur C-Sequestrierung und Bodenverbesserung, Permakulturverfahren oder Agroforstwirtschaft. Dies kann über die Beauftragung von Forschungs- und Pilotprojekten, aber auch über die Unterstützung ehrenamtlicher Initiativen im Landkreis erfolgen.“

„Um einen tiefgreifenden Wandel in der Agrarstruktur erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer hohen Akzeptanz. Notwendige Klimaschutzmaßnahmen dürfen nicht zu Lasten von Landwirten umgesetzt werden, sondern müssen auch entsprechend von Politik und Verbrauchern honoriert werden. Hierzu bedarf es sowohl auf Seiten der Politik einer angepasste Steuerungswirkung als auch auf Seiten des Verbrauchers Veränderungen in den Konsumgewohnheiten. Zumal auf kommunaler Ebene der Einfluss auf die überwiegend auf nationaler und internationaler Ebene gestaltete Agrar- und Handelspolitik begrenzt ist, sollen im Folgenden insbesondere Handlungsoptionen mit Einfluss des Verbrauchers im Mittelpunkt stehen.“

„Nichts desto trotz zeigten die Gespräche mit regionalen Akteuren zahlreiche Ansätze zur Nutzung kommunaler Handlungsspielräume. Mögliche Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene umfassen insbesondere Öffentlichkeitsarbeit, bewusstseinsbildende Maßnahmen sowie Informations- und Beratungsangebote. Zur Realisierung der Klimaschutzziele braucht es dazu insbesondere langfristig angelegte Strukturen, die Landwirte und Verbraucher durch geeignete Maßnahmen im Transformationsprozess unterstützen. Die Förderung der Kommunikation zwischen Landwirten und Verbrauchern wird hierbei als zentrales Element zur Sensibilisierung von Verbrauchern gesehen. Aber auch im direkten Kontakt mit Landwirten kann der Landkreis durch die langfristige Etablierung von Beratungsangeboten eine klimafreundliche und nachhaltige Landnutzung fördern. Über beratende, informative und koordinierende Maßnahmen hinaus sollte der Landkreis insbesondere verfügbare Handlungsspielräume zur Beeinflussung eines klimagerechten Flächenmanagements nutzen, um die Landnutzung langfristig klimafreundlich zu gestalten. Für die exponierte Lage des Landkreises Lüchow-Dannenberg ist es darüber hinaus wichtig, die Zusammenarbeit über die Kreis- und Landesgrenzen hinweg verstärkt zu fördern – denn der Klimawandel als globale Herausforderung kennt keine Grenzen und kann nur durch gemeinschaftliche Anstrengungen bewältigt werden.“
Diese Ziele des Masterplanes 100% Klimaschutz in Lüchow-Dannenberg sind fortzuschreiben und konsequenter umzusetzen.
Und damit die Agrarwende gelingt, müssen gemeinsam mit den Betroffenen tragfähige Konzepte und Lösungen erarbeitet werden.

17.05.2021

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